Email aus Südamerika

Email aus Südamerika

Nach dem Langstreckenflug mit Iberia über Madrid nach Santiago de Chile verbrachten wir drei Nächte in einem, leider, sehr wenig ansprechenden Hinterhofzimmer, versteckt hinter der Bezeichnung  Hotel.  Der Kaffee war ausreichend und heiß, das war die einzige positive Aussage zu dieser Unterkunft. Gegenüber der Herberge waren Gedenksteine im Pflaster vor einem alten Gebäude eingelassen. Dieser Hinweis auf das berüchtigte Foltergefängnis der Diktatur sah unscheinbar aus, das Gebäude selbst unschuldig. Inschriften auf den Steinen zeugten von jenen Menschen, die hier zu Tode kamen.

Frühlingshafte Luft lockte uns auf ausgedehnte Spaziergänge, unter anderem auf den Cerro San Cristobal.  Die Dunstglocke über der Stadt hatte sich gelichtet und von den Anden glitzerte der Schnee.

Vor dem Präsidentenpalast verfolgten wir Paraden und vermutlich einen Staatsbesuch. Weiß gekleidete Wachsoldaten, Reiter, sowie die Ehrenkompanie mit hohen silberfarbenen Helmen und ebensolchen , hohen Stiefeln, getopt durch Epauletten, erschienen mir wie eine Filmkulisse. Die “gewöhnliche” Polizei war mit dem Hin- und Wegstellen von Absperrungsgittern beschäftigt. Albrecht vermutete einen finnischen Staatsbesuch aufgrund des Standers an der vorfahrenden Limousine. Spektakel wohin man sah. Zwischen diesem Spektakel liefen, wie überall in Santiago, Hunde herum und störten den Ablauf durch ihre Anwesenheit und Gebell. Als die Limousine in den Bereich des Palastes eingefahren war, widmeten sich die Schaulustigen der anderen Attraktion auf diesem Platz: der Rettungskapsel und der Huldigung für jene Bergleute, die das Grubenunglück im Norden Chiles überlebt hatten. Sie war zu einem begehrten Fotoobjekt avanciert, gemeinsam mit der Wache haltenden Ehrengarde. Dazwischen wieder streunende Hunde, sehr friedlich zu den Menschen, aber unbeugsam zu anderen Hunden, die versuchten in ihr Territorium einzudringen. Hunde waren überall anzutreffen, auch in den Vorräumen der Banken. Ein kleiner Streuner verteidigte seine etwas größere Freundin gegen einen bulligen Rüden, bellte, drängte mutig und gab nicht auf. Vor dem Eintreffen des Staatsgastes war er schon auffällig geworden. Absperrgitter galten nichts in seiner Welt. Die Polizisten reagierten erstaunlich gelassen, kein Fußtritt, kein Davonjagen, – sie gehörten einfach dazu, diese freundlichen Straßenköter in Stadtbild der Hauptstadt Chiles.

Die Metro der Stadt wurde von uns oft benutzt und erwies sich erstaunlicherweise als sehr sauber. Sie war von französichen Firmen gebaut worden. Apropos Franzosen, Monsieur Eiffel hat hier seine Spuren hinterlassen. Die Halle des Bahnhofes (Central) trägt seine Handschrift.

Mit Tur-Bus, “Salon Cama”, fuhren wir nachts die 1000km nach Puerto Montt. Die Liegesitze waren komfortabel und ich konnte schlafen. In Puerto Montt sollte unsere erste Fährfahrt beginnen. Die vier Tage bis dahin verbrachten wir in der Stadt bei regnerischen Wetter. Mittags besuchten wir dreimal dasselbe Lokal mit einer faszinierend schlecht gelaunten Servierkraft. Arbeiter vom nahe gelegenen Hafen aßen dort und auch wir fanden die Küche einfach, aber sehr gut. Sonst läßt sich nicht viel über die Stadt berichten, der Busbahnhof wurde erweitert und nicht alle Bankomaten wollten unsere Kreditkarten akzeptieren. Mit Alltäglichkeiten, wie der Suche nach einem Internetcafe, Einkauf und auch Ausruhen war ein Tag ausgefüllt.

Ein Tag in Valdivia

Die Tour mit dem Linienbus nach Valdivia war für Albrecht und mich unterschiedlich interessant. Er wollte die historische Einwanderungsstadt der Deutschen am Pazifik sehen, – die Ähnlichkeit mit Lüderitz in Namibia war nicht zu leugnen, – und für mich war der Fischmarkt das Highlight. So trieb ich mich dort herum. Durch die Lage an der Flußmündung war er von Seelöwen als Quartier ausgesucht worden und natürlich fehlten auch Kormorane, Möwen, Pelikane nicht…


Mäuler wurden aufgerissen, mit Schnäbeln wurde gekonnt geklaut was erreichbar war, – Fischreste, ganze Fische, Popcorn, Nüsse, alles frei…. Die Zivilisation hatte sich breit gemacht und duldete die Gäste, faszinierend anzusehen, doch ich wartete auf Seelöwen in ihrer natürlichen Umgebung. Albrecht kam von seinem Rundgang zurück und wir besuchten ein Fischrestaurant. Mein Mann löffelte eine unbeschreibliche Suppe, die ich für eine Resteverwertung vom Fischmarkt hielt.

Am 27.10.2010 starteten wir mit Navimag unsere erste Fährfahrt in Richtung Süden. (Für Senioren gibt es verbilligte Tickets.) Nächste Email folgt erst wieder ab 1.11. eventuell aus Puerto Natales, – auf See sind wir ohne Kontakt.

…wo war ich stehengeblieben, – die 2. Mail ist wohl im Nirwana verschwunden, so versuche ich nun über die Fahrt mit der Navimag zu berichten. Am 27.10. lief die Fähre in Puerto Montt aus, gut besetzt mit Passagieren aus aller Welt und im Bauch Autos von klein bis riesig. In unserer 4er-Kabine, die wir zu zweit zur Verfügung hatten, war es gut warm dank des elektrischen Radiators. Sie war einfach ausgestattet, herbergsmäßig und mit Bullauge. In meiner Art, ich bin immer die Packerin, verstaute ich unsere Habseligkeiten und breitete das täglich Notwendige auf den oberen Betten aus. Wir nahmen die unteren Schlafstellen, auf denen wir auch aufrecht sitzen konnten. Unser eigenes Minibad mit Toilette und Dusche war mit Handtüchern ausgestattet.

Es dauerte noch eine Weile bis wir die offene See erreichten. Warm und windfest bekleidet erkundeten wir die zugänglichen Decks, wie auch viele der anderen Passagiere. Was wird der nächste Tag bringen? Vorerst war es noch Richtung Pazifik gegangen, geschützt durch vorgelagerte Inseln. Im Golf der Leiden war nach meinen Informationen mit hohem Wellengang und Schlimmeren zu rechnen. Meterhohe Wasserberge und Stürme sind dort keine Seltenheit. Bevor die beginnende Dunkelheit die Silhouetten der Küste verwischte und das Wasser tiefschwarz erschien, aßen wir zu Abend. Da die Sitzplätze nicht ausreichend waren, wurden wir in Gruppen mit dem Essen per Tablettsystem versorgt. Das Anstehen an der Ausgabe erfolgte nach Aufruf. Familien, Touristen, Paare, Trucker und Paare so wie wir, bildeten ab nun für kurze Zeit eine Gemeinschaft.

Unsere Koje

In unserer Koje verbrachten wir bei einer Flasche Wein noch gemütlich den restlichen Abend. Das Schlingern des Schiffes nahm zu und ich schluckte vorsorglich Vomex. Albrecht lehnte ab. Die nächsten 24 Stunden überstanden wir gut, keine Riesenwellen, die uns gepeinigt hätten. Der Kapitän sprach von ruhiger See, einer excellenten Fahrt. Entspannt verbrachten wir die Zeit an Bord, oft auch an Deck um nichts zu versäumen. Das Schiff fuhr nun meist in Sichtweite der chilenischen Küste entlang. Unbewohnte Regionen und ein Nationalpark, der bis ans Wasser reichte, ließen mich staunen über diese Naturschönheiten.

Das Schiff steuerte einen der Fjorde an. Unser Kapitän ermöglichte diesen Abstecher aufgrund der guten Bedingungen bisher. Gletschereis, schwimmend und türkisfarben, begleitete uns, bis wir auch den Gletscher selbst sahen, der seine Zunge ins Wasser streckte. In der Gebirgskette hat dieses Naturschauspiel seinen Anfang genommen, um sich bis an die Küste zu bewegen und dort kleine Eisberge zu produzieren. An einer anderen Stellen konnten sich Passagiere ausbooten lassen, um eine, nur über Wasser errreichbare, Ansiedlung zu besuchen. Wir blieben an Bord.

Wieder an Land – Puerto Natales

Die Augen hatten sich satt gesehen und wir freuten uns, als wir am 1.11. Puerto Natales bei Sonnenschein erreichten. Eigentlich wollten wir an diesem Tag noch weiter nach Punta Arenas, doch die Busse waren fast ausgebucht und nach 20 Uhr wollten wir auch nicht abreisen. So überließen wir einem Ehepaar aus Deutschland die letzten beiden Plätze, die wir hätten bekommen können und suchten uns ein Hotel. Mit den Bustickets, für den nächsten Tag, in der Tasche, checkten wir in einem Hotel ein, dessen Name einen Bezug zu einer blauen Lagune vermittelte. Der Internetanschluß für Gäste funktionierte nicht. Die Tochter des Hauses überließ mir ihren Laptop, damit ich mit meiner Berichterstattung weitermachen konnte. Das fand ich super! Das nächste Problem, ich hatte keinen Zugriff auf meine Adressenliste, lediglich eine Emailadresse war in meinem Gehirn gespeichert….
Puerto Natales war gemütlich und ohne Hektik. Auf den Straßen lagen Hunde und sonnten sich. Die Stadt war schnell erkundet. Viele Touristen bevölkerten die Outdoorgeschäfte, wahrscheinlich auch mit dem Ziel, den nahen Nationalpark zu besuchen. Wir fanden ein Restaurant und konnten uns an vorzüglich Gegrilltem mit Beilagen satt essen. Die Busfahrt am 2.11. nach Punta Arenas war ziemlich eintönig. Wir fuhren über flaches Land, an Estancias mit Schafen, Schafen, Schafen.. und vielen Lämmern vorbei. Manchmal zeigten sich auch einige wenige Nandus und Alpakas. Landschaftlich bot die Strecke wenig.

In Punta Arenas waren wir gut untergebracht. Die Hoteltochter aus Puerto Natales hatte uns an ihre Verwandschaft vermittelt. Wir wurden in einem villenähnlichem Anwesen freundlich empfangen. Die Stadt zeigte sich großstädtisch und bot uns alles was, wir so brauchten. Nun stand die Frage im Raum: Werden wir die Fähre nach Puerto Williams nehmen können? Die Reservierung hatten wir schon vor Monaten im Internet aus Deutschland vorgenommen, nur das O.K. fehlte noch. Wegen Gefahrguttransporten wurden manchmal keine Passagiere mitgenommen. Die Insel südlich des Beagle-Canals gehört noch zu Chile und war nur mit der Fähre oder Flugzeug direkt zu erreichen. Die alternative Anreise führte über Argentinien. Nach langem unergiebigen Fußweg und anschließender Taxifahrt erreichten wir das Office von Austral Broom. Kurz nach Vorlegen der Reservierung erhielten wir das Okay für die Fährverbindung. Die Bezahlung erfolgte in US$ und cash. Mein großer Wunsch war in Erfüllung gegangen, und ich verstaute achtsam unsere Tickets. Den restlichen Tag verbrachten wir unter anderem in einem Schülerbus, der an vielen Stellen hielt, um Schüler ein- oder auch aussteigen zu lassen. Jungs mit Krawatte und weißem Hemd und Mädchen mit einheitlicher Schuluniform drängten sich um uns. Im Zentrum verließen auch wir den Bus und besuchten einen Supermarkt, um noch Reiseproviant zu kaufen. Später ließen wir uns durch die Straßen treiben und versuchten unser Glück, um an Bargeld zu kommen. Meine Karte war unbekannt und Albrechts Karte sogar “invalid”. Wir versuchten es bei mehreren Banken. Jeder von uns testete eine seiner Karten. Endlich konnte ich Erfolg vermelden. In der Banco Patagonia spuckte der Kasten Geld aus. Ich liebe diese Bank und sie liebt mich, hach. Post war noch zu erledigen, das hieß Ansichtskarten schreiben, – wie uncool. Tochter Claudia hatte sich Guanakos gewünscht. Es sollte erst einmal bei einer Karte bleiben mit dem Hinweis, bisher weder ausgestopfte noch gestrickte gefunden zu haben. Mit den Postkarten, ausreichend frankiert, standen wir vor dem Postamt und überlegten. Drei Schlitze standen zur Verfügung doch wir zögerten. Im Inneren stand ein schöner roter Metallkasten, der unsere Karten erhielt. Am nächsten Tag meinte Albrecht, als er in seinem Spanischwörterbuch blätterte, “wir haben die Karten in den Abschiedskasten eingeworfen <recibo>, hoffentlich kommt die Post an.” Alles in Ordnung, die Post kam an… Am 3.11. ließen wir uns noch Kaffee und Apfelstrudel in einem Kaffeehaus Wiener Prägung schmecken, bevor wir zum Hafen fuhren. Unsere Annahme, uns dort noch entspannt aufhalten zu können, wurde enttäuscht. Der Hafen wurde ganz toll umgebaut, weit und breit war kein Lokal zu finden. Als ein Regenguß kam stellten wir uns unter das löchrige Wellblechdach eines aufgelassenen Kiosks. Unser Gepäck hatten wir netterweise schon auf das Schiff bringen können. Die zwei Stunden Wartezeit verbrachten wir mit Aktivitäten wie, immer wieder auf der Flucht vor Regenschauern, Füße vertreten, nach der Fähre schauen ob das Boarding beginnt. Endlich war es soweit….

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