Email aus Südamerika

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Weiter nach Puerto Williams

Mit der”Bahia Azul” von Punta Arenas nach Puerto Williams

Unser Fährschiff, von mir liebevoll Broomi genannt, legte am späten Nachmittag in Punta Arenas ab und fuhr weiter in der Magellan-Straße nach Westen. Mein Buchtipp dazu, absolut lesenswert, von Stefan Zweig, <Magellan>. Die Zivilisation ließen wir hinter uns, als wir die verzweigten Wasserstraßen erreichten, die Darwin-Kordilleren vor Augen. Das Wetter war sozusagen bilderbuchhaft schön.

In den Darwin-Kordilleren

Die Fähre war eigentlich ein Frachtschiff, mit einigen Kojen für 14 Personen inklusive Besatzung und einen Großraumabteil mit Liegesitzen. Wir hatten eine der Kojen mit Etagenbett, in dem man nicht aufrecht sitzen konnte. Zu den Waschräumen und Toiletten ging es raus in den offenen Laderaum, vorbei an Containern, Fahrzeugen und losem Baumaterial. Die Leistung des Koches in seiner Miniküche war hervorragend. Er brachte frisch Gekochtes auf den Tisch. Die Mahlzeiten wurden in Schichten eingenommen und waren nur für Passagiere der Kojen und die Besatzung gedacht. Zwei Tische mit 9 Plätzen standen zur Verfügung, davon war meist ein Tisch von Besatzungsmitgliedern belegt. In unserer Schicht trafen wir auf ein Ehepaar aus Windsor. Albrecht witzelte was von Windsor-Castle. Wir waren für die Fahrt sozusagen ein Essensgespann. Die Beiden waren auch schon mit der Navimag von Puerto Montt nach Puerto Natales unterwegs gewesen, von uns aber unbemerkt. Hier auf dieser überschaubaren Fähre schien die Zeit stehen zu bleiben. Nach der ersten Nacht erlebten wir wieder eine beeindruckende Fahrt, vorbei an kargen Inseln, Gletschern, Fjorden und nirgendwo menschliche Spuren. Wehmütig ließ mich der Sonnenuntergang Abschied nehmen von dieser unberührten Landschaft. Morgen würden wir in Puerto Williams eintreffen.

Morgens um 5 Uhr war bereits Betrieb an Bord, doch noch mußten wir 2 Stunden auf Reede liegen, bevor wir an Land konnten. Der Ort zählte an die 2000 Einwohner und schien nicht zu erwachen. Nur vereinzelt waren Lichter zu erkennen und Ruhe lag über dem Morgen. Per Telefon hatte Albrecht die Reservierung im Hostal Coiron vorgenommen. Im Sammeltaxi, gemeinsam mit einem französischen Paar samt 5jähriger Tochter, trafen wir an unserer Unterkunft ein. Die Verständigung in den nächsten Tagen sollte ein Kauderwelsch aus Französich, Spanisch und Englisch sein. Unser Zimmer, ohne Heizung, hatte ein eigenes Badezimmer mit Toilette. Küche und Wohnraum teilten wir uns mit den übrigen Gästen. Diese Anzahl war beschränkt, nur am Anreisetag war noch ein Paar aus Bayern anwesend, die übrigen 5 Tage waren wir zu fünft.

Am frühen Abend hatten wir noch ein interessantes Gespräch mit unseren bayrischen Mitbewohnern, deren Adresse seit zwei Jahren eine Jacht war. Sie lag vor Buenos Aires. Sie wollten auskundschaften wie die berühmt berüchtigte Passage um Kap Horn eventuell zu segeln wäre oder ob der Beagle-Canal die bessere Wahl wäre. Leider machten sich die beiden später auf zum Jachthafen, wo sie eingeladen waren. Am nächsten Morgen reisten sie ab. Deren Tipp, das Internet im Ort sei verwanzt, beherzigte ich und meine diesbezüglichen Aktivitäten erledigte ich von Gustavos Laptop im Büro. Mit dem Senden der Mails allerdings auch mit Problemen. Gustavo war der Sohn des Besitzers Carlos, und wohnte mit im Haus, das eigentlich ein ganz normales Wohnhaus war.

Nun waren wir also an einem Ende der Welt angekommen, dem südlichsten Ort Chiles. Verschlafen, wie die Hunde auf den Straßen, erschien uns die Zeit stehengeblieben zu sein. Der Wettergott meinte es gut mit uns und so machten wir uns am 7. 11. auf den Weg in die Berge.

Die Zähne des Navarino

Die Zähne des Navarino bleckten weiß und unregelmäßig und der Wind blies kalt aus allen Richtungen kommend. In den Lengawäldern streckten sich die Pflanzen der Sonne zu. Wir wurden mit traumhaften Ausblicken über den Beagle-Canal belohnt. Auch Wanderer trafen wir unterwegs, zu zweit, allein, aber auch in Gruppen.

Blick über den Beagle-Canal an das argentinische Ufer

Längere Spaziergänge an der Küste unternahmen wir und konnten die Arbeit der Biber bestaunen, die sich hier zu Plage entwickelt hatten. Ein Kreuzfahrtschiff mit Franzosen legte an, ausnahmsweise am Marinehafen, und ermöglichte so den Passagieren einen bequemen Landgang. Puerto Williams ist auch Stützpunkt der chilenischen Marine mit vielen an- einander gereihten Häuser für Familienangehörige. Davor die Gasbehälter, Wäscheleinen und Frauen, die sich austauschten. Telefonieren geschah so wie früher einmal, per Handvermittlung. Die freundliche Dame vom “Amt” nahm Kontakt zu Deutschland auf, natürlich spanisch. Albrecht stürzte in die Kabine, die Verbindung stand, – es wurde aufgelegt, nochmals ein Versuch, eine der Töchter zu erreichen. Wieder kam die Verbindung zustande und wieder wurde aufgelegt. Unsere Vermutung, Melanie habe vor “Schreck”, als sie Spanisch vernahm, aufgelegt. Doch dem war nicht so, wie sich später herausstellen sollte. Die Schwiegermutter war am Telefon gewesen und dachte “die ” Kinder seien wieder dran, die “da” ständig anrufen würden.

In unserer Unterkunft versorgten wir uns selbst. Frische Lebensmittel waren in kurzer Zeit nach Ankunft der Fähre, einmal wöchentlich, kaum mehr zu bekommen. So suchte ich in den kleinen Läden nach einzelnen Karotten, Kartoffeln oder Zwiebeln und nahm gerne auch andere Angebote wahr. Unser Zimmer mit Bett und zwei Pferden vor dem Fenster war, wie bereits berichtet, nicht zu beheizen. Trotz mehrschaliger Nachtbekleidung und fünf Decken fror ich. Nach der dritten Nacht erhielt ich von Gustavo endlich eine superdicke Decke, die mich dann warmhielt.

Nachts, ohne Feuer im Ofen, kühlte auch der gemeinsame Wohn-und Eßraum aus. Eigentlich sollte Gustavo für unser Wohlergehen sorgen, doch er zog sich lieber die Decke über den Kopf und schlief lange. So hatten wir selber für Wärme zu sorgen. Albrecht betätigte sich vor dem Haus auch einmal als Holzhacker.

Doch wenn das Holz im Ofen knisterte , fühlte es sich wunderbar an, ich mochte es nicht missen.

Bedenken wegen des Holzverbrauches kamen hoch, doch die Hauptheizung mit Gas im Wohnraum war zu schwach. Der Frühling war auch erst in den Startlöchern in dieser Ecke der Welt. Vor dem Haus blühten schon die Osterglocken. Ansonsten zeigte er sich in allen Facetten, mal Sonnenschein, mal Schnee. Die Straßen waren staubig und holprig und die Pferde und Kühe durften im Ort nach Futter suchen. Nichts und niemand ging verloren in Puerto Williams.

Als wir in Puerto Williams eintrafen wußten wir noch nicht, wie wir die Insel wieder verlassen würden. Carlos, Gustavos Vater und Hostal-Besitzer, schlug uns den Flug nach Ushuaia vor. Seine deutschen Wurzeln und auch Sprachkentnisse machten die Verständigung auch leichter. Bei meinen Recherchen vor der Reise hatte ich keine Flugverbindung ausfindig gemacht. Für mich gab es daher nur folgende Alternativen: Flug zurück nach Punta Arenas, zurück mit der Fähre oder mit einem Zodiac (seetüchtiges Schlauchboot) nach Ushuaia. Carlos, mit guten Verbindungen in Argentinien, vermittelte uns eine viersitzige Piper über Aero Club Ushuaia für US$ 200.-. Am Morgen unseres Abfluges lag Neuschnee und der wind wehte böig. Ich hatte schon starke Bedenken, ob der Abflug zu halten sei, doch die spätere klare Sicht ermöglichte den Flug. Als wir im kleinen Airport eintrafen wurden gerade die Fluggäste für die Linienmaschine nach Punta Arenas abgefertigt. Ein junger Mann kam auf uns zu und stellte sich als sich als Pilot der Piper vor. Er stammte aus Buenos Aires, war 21 Jahre alt und seit seinem 14ten Lebensjahr mit dem Fliegen vertraut. Er meinte, es sei wie Autofahren. Mit leichter Verspätung von 20 Minuten starteten wir. Albrecht vorne mit Headset als “Co-Pilot”, ich ebenfalls mit Headset, aber ohne Funktion, hinten. Der Flug ging auf Gipfelhöhe der Berge, und nun bei klarer Sicht und kaum Wind, über den Beagle-Canal. Mir bot sich ein phantastischer Blick auf das “Ende der Welt”. Souverän landete unser Pilot auf dem internationalen Flughafen in Ushuaia/Argentinien und führte uns kompetent und zügig durch den Zoll. Das Verhältnis zwischen Chile und Argentinien war politisch getrübt und so gab es auch keine regelmäßigen Flugverbindungen zwischen Puerto Williams und Ushuaia. Hinter Glaswänden warteten rechts und links von uns Passagiere auf ihre Abfertigung. Eine große Maschine stand auf dem Flugfeld. Ein Zollbeamter kam extra für uns und überprüfte noch unsere Pässe. Nun konnten wir erneut das kleine Flugzeug besteigen, starten und nach einigen Minuten auf dem Inlandsflugplatz vor dem Hangar des Aero Clubs landen. Carlos erwartete uns bereits. Er fuhr mit uns zu seinem Freund, bei dem er für uns ein Appartment reserviert hatte.

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