
Grundlseegeschichten

Der Grundlsee, auch steirisches Meer genannt, ist Teil des Salzkammerguts und der größte See der Steiermark. Die bekannteren Seen liegen in den österreichischen Bundesländern Salzburg und Oberösterreich. Die Steiermark grenzt sich mit dem Begriff Ausseerland im östlichen Bereich ab. Besonders an den Ufern des Grundlsees verbergen sich historische Geschehnisse, die ich, in sicherlich unvollkommener Weise, entdecken wollte. Ob meine Suche auf Spuren der Vergangenheit nationalsozialistischer Umtriebe, der Adelskreise, des Großbürgertums, der Kunstszene, der Denker und Dichter, und… in dieser landschaftlichen Idylle, abseits von Touristenströmen, erfolgreich sein wird ? Ja, es ist geglückt. Die Villen und Jagdhäuser, die im Laufe der Zeit entstanden waren, zeugen von der offensichtlichen Begeisterung für diesen Landstrich. Die Kaiservilla in Bad Ischl war sicherlich auch ein Grund, hierher zur Sommerfrische zu fahren oder auch ein eigenes Domizil zu errichten. Man kannte einander vom Hofe in Wien, den gesellschaftlichen Zirkeln und wollte auch hier dazugehören. Getuschelt wurde auch über die Bewohnerin der Villa Schratt, eine enge Freundin Kaiser Franz Josephs I.. Jagdleidenschaft prägte jene Zeit und verleitete so manchen, dieser Passion lange Zeit zu frönen.

Unsere Gastgeberin erwartete uns in ihrem Haus mitsamt Exponaten, die von ihr geschaffen worden waren. Eine Fundgrube !, am Ende dazu noch mehr. Ich aber wollte schon in die Geschichten rund um den See eintauchen. Auf Wanderwegen, die an den Hängen entlang führten, erreichten wir das Seehotel. Die Villa liegt auf der anderen Seeseite und kann nicht besichtigt werden.


Erst suchte ich dazu Informationen, doch wie sich herausstellen sollte war keine Verbindung zum österreichischen Zweig des bedeutenden Adelsgeschlechtes Castiglioni zu finden.
Beeindruckend wirkte die Villa auf mich und sie schien Geheimnisse bedeckt zu halten. Der schillernste Eigentümer war Camillo Castiglioni von 1920 bis 1926. In Triest, das damals zur K.u.K. Monarchie gehörte, wurde er 1879 in einen jüdischen Haushalt hinein geboren und in späterer Zeit auch als Rabbinersohn bezeichnet. In, auch risikoreicher Weise, war er als sehr erfolgreicher, innovativer Magnat tätig. Anerkennung war ihm gewiß. Die Villa ließ er aufwendig und luxuriös umbauen und ausstatten. Bedeutende Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kunstszene und Wiener Gesellschaft waren willkommen. Auch Burgschauspieler fehlten nicht. Das Ausseerland erlebte eine erste Blütezeit. Später vereinnahmten die Nationalsozialisten die Villa. Hitlers Bibliothek wurde größtenteils eingelagert. Orginalpartituren von Richard Wagner waren nach Ende des 2. Weltkriegs unauffindbar. Ebenso der angebliche Goldschatz der Nazis im Toplitzsee, der zu Fuß von Gößl erreichbar ist. Doch dazu später…
Nicht nur gemächliche Wanderwege rund um den See, sondern auch Steige zu den aufragenden Gipfeln mit Fernsicht laden ein. Das Tote Gebirge erstreckt sich bis in das Flachland. Albrecht kam auf seine Höhenmeter, während ich schon einmal den Weg zum Toplitzsee erkunden wollte.

Unsere Wanderung zu dem 3-Seen-Blick führte uns nicht bis auf den Gipfel. Ich schied schon vor dem steilen Gipfelanstieg aus und wartete an einem sonnigen Platz. Albrecht machte dann vor dem letzten seilversicherten Teilstück halt und kam zurück. Seine nicht passenden «Trailjoggingschuhe» gaben den Waden Krampfsignale. Die fünfstündige Wanderung war trotzdem ein Genuß.









Und nun zu meiner Toplitzseeerkundung…
Von Gößl aus führt ein Wanderweg, neben einigen anderen, durch den lichten Wald entlang der Toplitz, die nach 1,6km in den Grundlsee mündet und dann Grundlseer Traun heißt. Die Traun, mit einer Länge von 152km lang, mündet bei Linz /Oberösterreich in die Donau. Die imposante Gößlerwand ist an einem Abschnitt des Weges zu sehen. In früheren Zeiten wurde Holz auf Wasserwegen zu den Salzbergwerken und Salinen getriftet, so auch über die Toplitz. (Museen in Hallstatt und Bad Aussee.) Häufiges Suchen im Toplitzsee nach Nazigold blieb erfolglos, aber wer weiß schon, ob ein einstiger Vertrauter diesen Schatz nicht schon gehoben hatte. Nun ja, wenigstens Falschgeld und Kronenkorken wurden gefunden. Es besteht Tauchverbot! Ich machte mich auf, entlang des renaturierten Baches und über einige Holzbrücken, um nach ungefähr 30 Minuten nach einer kleinen Wegbiegung das Ufer zu erreichen.





Mein erster Weg führte mich zur Gedenkstätte Erzherzog Johann und Anna Plochl. Was für ein Affront! Kaiser Franz I., sein Bruder, war über einen Zeitraum von vier Jahren gegen diese Verbindung, doch Erzherzog Johann blieb standhaft und konnte Anna Plochl heiraten. Sie wurde erst zur Freifrau und später zur Gräfin von Meran erhoben.

Mit «Treiben» empfand ich zum Beispiel anstehende Plättenfahrten über den Toplitzsee, mit anschließenden kurzem Aufstieg zum Kammersee, wo die eigentliche Quelle der Toplitz/Traun liegt.


Ein anderes skuriles Gebilde sah ich im Nahbereich des Lokals. Den Glücksdrachen, nach einem Entwurf von André Heller, der einst in Bad Aussee die Schule besucht hatte. Bestückt mit Narzissen stand er in Wien zur Eröffnung des Life Balls 2014, Titel: «Garten der Lüste».


In der Zeit von 1879 bis 1883 ließ Johann Roth die Villa erbauen, die er auch als Jagdschloss nutzte.
Die Villa Roth, heute Schloss Grundlsee genannt, befindet sich in Gößl. Es kann nicht besichtigt werden. Versteckt hinter dem weitläufigen, wilden Park wagte ich mich nicht auf den Privatbesitz, trotz des offenen Tores. Natürlich war ich auf der Suche nach einem Standort, um gute Sicht auf das Schloss zu haben. Von Seeseite, von den regelmäßig fahrenden Schiffen aus, ist das natürlich jederzeit gut möglich. Eine Schafweide, die sich bis an das Ufer des Sees hinzog, schien mir diese Möglichkeit auch zu bieten. Ich stapfte im feuchten Gras entlang der Einzäunung, die Schafe begrüßten mich, um anschließend meinen Weg zu verfolgen. Albrecht blieb oben an der kleinen, kurzen Stichstraße in der Nähe eines Hauses stehen.



Düster wirkte das Anwesen an diesem Tag. In meinen Gedanken wirkte die tragische Geschichte ähnlich, als ich sie mir in Erinnerung rief und hinauf zu dem Turmzimmer sah. In der Nacht vom 4. bis 5. September 1939 fand Attila Hörbiger, der im Haus anwesend war, zwei Leichen. Der Sohn des Hauses, Dr. G. Roth, hatte seine Braut und anschließend sich selbst im Turmzimmer erschossen. Die Anwesenheit des gefeierten Mimen war nicht außergewöhnlich. Attila Hörbiger und Paula Wessely verbrachten die Sommerferien mit ihren Kindern regelmäßig in der Villa Roth. Später nutzte NS Propagandaminister Joseph Goebbels mit Familie das Anwesen als Sommerresidenz. Die Goebbelskinder besuchten in Gößl die Schule.
Ich machte mich auf den Rückweg, wo mich Albrecht schon erwartete. Er war von einer Hausbewohnerin befragt worden, was er den hier vorhabe. Als er ihr von meiner Ambition berichtete wurde ihm erklärt, doch durch das offene Tor zu gehen, um Fotos zu machen….Vermutlich war derzeit wohl niemand anwesend, die Nachbarn wußten Bescheid. Wir machten uns auf zur Gaststätte Murbodenhüttl, die am Weg zu unserer Ferienwohnung im Ortsteil Bräuhof lag.
Die Gemeinde heißt so wie der See, nämlich Grundlsee. Sie erstreckt sich über 152,24 Quadratkilometer. Mehrere Ortsteile machen die Orientierung leicht. Besonders Bräuhof ist gut mit Infrastruktur versorgt. Ein kleiner Supermarkt, einige Läden, Kirche und Gasthaus runden das Angebot ab. Das Mondi Resort dominiert, oben auf dem Hügel, mit phantastischer Sicht über den See. Auch das Seehotel und Villa Anna erwarten, natürlich, Gäste.



Gößl war mehrmals ein Ziel bei unseren Wanderungen. Während bei unserem ersten Besuch der Strand sehr gut besucht war, ebenso die Parkplätze, sahen wir später nirgends mehr Badegäste. Es war Ende September.




Grundlsee, «die Seele baumeln lassen«; und ja, das ist möglich.

