Von Zügen und Bahnhöfen

Von Zügen und Bahnhöfen

Von Bangkok nach Kuala Lumpur um 1979

Nach einigen Hin und Her konnte ich mein Abteil im speziellen Thaiwaggon finden. Bald darauf kam eine junge Frau mit ihrem Ehemann und einem Bruder. Sie belegte die zweite Schlafmöglichkeit im Abteil. Die beiden Männer reisten in einer anderen Klasse und verabschiedeten sich danach kurz. Sie war frisch verheiratet und verhielt sich in meiner Anwesenheit schüchtern. Als der Zug endlich anfuhr war mir ohnehin nicht zu Gesprächen zumute, sondern ich drückte meine Nase am Fenster fast platt. Vorbei an den Slums fuhr der Zug langsam ruckelnd und ich sah hinunter in das Elend der Wohnbuden aus allen möglichen Materialien und den Menschen. Später bildeten Reisfelder, Baumgruppen und Hütten das Panorama vor meinen Augen. Pfeifende Signale waren zu hören, wenn der Zug nahe an Dörfern vorbeifuhr. Die Sonne war untergegangen und es war plötzlich dunkel geworden. Ich machte mich auf in den Speisewaggon, der gleich im Anschluß zu finden war. Aus der Garküche drang intensiver Essensgeruch. Eine angenehme, wenngleich auch seltsame Stimmung empfing mich. Das helle Holzgetäfel war glänzend poliert und mit Intarsien versehen. Auf den Tischen standen in hohen schmalen Vasen violette Orchideen und die Tischwäsche schien einmal weiß gewesen zu sein. Die Fenster waren heruntergelassen und klapperten. An einem Tisch mit zwei Weißen nahm ich Platz. Neben mir ein etwas dicklicher Mann um die 30, der in ein englisches Buch vertieft war. Ihm gegenüber saß ein intellektuell Aussehender, ungefähr gleichen Alters, mit Nickelbrille und fehlenden Zähnen. Über den Mittelgang saß ein blonder Mann, dessen Augen lachten. Nachdem wir beide fertig gegessen hatten und nach eifrigem Augengeplänkel machte ich eine einladende Handbewegung zum leeren Platz mir gegenüber. Er stand auf und setzte sich. Willi, ein Deutscher, blieb bis Butterworth/Penang mein Zugbegleiter und wir hatten viel zu lachen. Nun galt es auch die anderen Gäste zu betrachten. Ein Pärchen, vielleicht unter Drogen, mit abwesenden Blick, faszinierte mich am meisten. Sie hatte ein ausgemergeltes, bleiches Gesicht. Dieser Eindruck wurde durch das lange dunkle Haar noch verstärkt. Das weiße löchrige T-shirt verbarg kaum ihren Busen und die pfirsichfarbene Hose war über den Knöcheln zusammengebunden. Als sie ihren Platz verließ und auf 10 cm hohen Absätzen hinauswankte warf sie noch einen Blick zurück. Ich erschrak. Nach einer gefühlten halben Stunde kam sie wieder und wirkte noch ausdrucksloser. Ein Kellner führte sie an den Platz, wo ihr Begleiter wartete. Er wirkte wacher und stocherte noch immer auf seinem Teller herum. Ein anderes Paar, er mit kurzgeschorenen Haaren und Hausanzug made in Asia wollte durch Schulterbewegungen und Augenzwinkern vielleicht sein Interesse an mir zeigen. War ich Freiwild, sah ich so aus? Vom Tisch hinter mir vernahm ich ein lautstarkes Gespräch zweier Deutscher, die sich mit einem distinguierten Dritten über Edelsteine unterhielten. Sie wußten anscheinend über alles Bescheid. Zwei junge Schweizerinnen aus der Luxusklasse beglückten den Speisewaggon kurz, um sich dann vornehm zurückzuziehen. Ich hatte den Eindruck, daß sie nur ihren Schmuck präsentieren wollten. Willi und ich waren schon bei einer Flasche Thaiwhisky angekommen und in ein Gespräch mit dem Intellektuellen verwickelt. Er wollte nach Australien und war mehr kommunistisch angehaucht. Er konnte bei uns mit seinen Ideen nicht landen und verzog sich daher an den Tisch des “Schulterzuckers”. Um 22h war Sperrstunde und ich ging zum Abteil zurück. Meine thailändische Mitreisende wirkte erleichtert, als ich eintraf.

Die offenen Fenster hatten über Nacht die Gedanken, den Rauch und die Gerüche unterwegs entlassen. Es hatte geregnet und der Dschungel dampfte. Der Zug stoppte in dieser Wildnis öfter, um mit einem Pfiff die Fahrt wieder aufzunehmen. Im Speisewaggon saß ein Zollbeamter vor Stößen von Reisepässen, die am Vortag eingesammelt worden waren, machte Eintragungen in langen Listen, blätterte und sortierte. Willi erschien verschlafen zum Frühstück. Draußen veränderte sich die Landschaft. Felsige Gebirgszüge begrenzten die Sicht, dazwischen Reisfelder und Dschungel. Wir näherten uns der Grenze und ein Prozedere begann, bis ich meinen Paß wieder in den Händen hielt.

In Malaysia hatte ich, wie alle Weiterreisenden, den Zug gewechselt und mich von Willi verabschiedet. Sehr angetan war ich nun von der vorhandenen Gemeinschaftsdusche im Waggon. Der Speisewaggon hingegen war sehr einfach ausgestattet mit plastikbezogenen, gut zu reinigenden Sitzmöglichkeiten.

In Kuala Lumpur nahm ich mir ein Zimmer im betagten Station Hotel. Es sah aus, als hätte es ein Zuckerbäcker gebaut. Von meinem Bad, Teil eines großen Zimmers, konnte ich in die Abfahrtshalle des Bahnhofes sehen. Aus einer oberen Perspektive und sehr speziell !!   Jahre später übernachteten wir, zwei jugendliche Töchter und ich, im bereits etwas heruntergekommenen, aber noch belegten Station Hotel.  Nochmals Jahre später war das Hotel geschlossen und der Bahnhof wurde nur mehr für Nahverkehr genutzt.

Das ehemalige Station Hotel vom Hotel Majestic aus gesehen


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